Spektakulärer Polizei-Erfolg in Leipzig: 360 Kilo Drogen sichergestellt – Ermittlungen im Darknet

Bernd Merbitz (rechts) präsentiert einen Teil der  sichergestellten Drogen im Wert von 4,1 Millionen Euro.

Leipzig. Die Ermittler legten dessen Internetportal “Shiny Flakes” lahm, über das tausende Zwischenhändler und Konsumenten bis hin nach Südostasien beliefert wurden. Die Polizei konnte zudem einen Server mit Kundendaten beschlagnahmen und nicht zuletzt sogar Vernetzungen im sogenannten Darknet, dem anonymen Teil des Internets, nachweisen. Mit Hilfe der gewonnen Informationen sollen in den kommenden Wochen und Monaten nun auch die Kunden des Leipzigers zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Verhaftung des 20-jährigen Drogen-Internethändlers und eines 51-jährigen Kurierfahrers am 26. Februar sei nur ein erster Höhepunkt der Ermittlungserfolge gewesen, sagte ein sichtlich stolzer Polizeipräsident Bernd Merbitz am Donnerstag. Bereits am Mittwoch seien in mehreren anderen Bundesländern 38 weitere Hausdurchsuchungen durchgeführt und dabei fünf Verdächtige festgenommen worden. „Es haben sich inzwischen auch viele andere Dienststellen an uns gewendet und wollen von unserem Erfahrungsschatz profitieren“, erklärte Merbitz weiter. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz ergänzte: „Es werden weitere Verfahren eingeleitet werden. Wer auf diesem Portal Drogen bestellt hat, hat sich gleichzeitig auch strafbar gemacht. Es wird auch nichts helfen, die Betäubungsmittel einfach aus dem Fenster zu werfen.“

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20-Jähriger betrieb „Amazon-Laden für Drogen“

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Leitender Kriminaldirektor Petric Kleine.

Nach Angaben von Petric Kleine, Leiter der Kriminalpolizei in der Messestadt, sei der mutmaßliche Verantwortliche bereits Ende 2013 im Darknet als Drogenhändler aktiv gewesen. In diesem Teil des Webs lassen sich Identitäten durch die Nutzung sogenannte Tor-Verbindungen verschleiern. Anfang 2014 sei der Beschuldigte dann mit seinem hochprofessionellen Online-Bestell- und Vertriebsportal in den offenen Teil des Internets gewechselt. „Das war wie ein Amazon-Laden, nur eben für Drogen“, sagte Kleine. Der 20-Jährige habe für seine konspirative Tätigkeit Internet-Server im Ausland benutzt, zudem wurde auf "Shiny Flakes” nicht mit Euro, sondern mit der Internet-Währung Bitcoins bezahlt – bei der nur der Verkäufer die Identität des Bezahlenden nachvollziehen kann. Die Waren wurden über den Postweg versendet, vornehmlich per Einschreiben, aber auch über Paketstationen. „Der Käufer konnte sogar im Internet nachverfolgen, wo sich sein Paket gerade befindet“, so Kripochef Kleine. Allein im vergangenen halben Jahr soll der junge Leipziger mit den Drogenverkäufen einen Umsatz von gut einer Million Euro erzielt haben.

Durch einen Zufall kam die Leipziger Polizei dem 20-Jährigen dann trotzdem auf die Schliche. Eine zu gering frankierte Lieferung wurde an eine nicht existierende Absenderadresse zurückgeschickt und geriet letztlich in die Hände der Beamten. Bis zum Sommer 2014 wurden bundesweit weitere solche Fälle bekannt – bei denen immer wieder das Leipziger Paketzentrum in Radefeld als Ersterfassung auftrat. Spezialisten der Leipziger Polizei ermittelten nun verstärkt auch im öffentlichen und nicht öffentlichen Teil des Internets. „Dabei gelang es uns erstmals auch, aktiv Daten im Darknet zu gewinnen“, so Kleine weiter – der in Richtung der Darknet-User anfügte: „Was mal sicher war, ist nun nicht mehr sicher“. Anhand von registrierten Sendungsnummern konnten letztlich drei bis vier Paketstationen in Leipzig ausgemacht werden. Nach intensiver Observation geriet der 20-jährige Betreiber des Internetportals dann in den Fokus der Ermittler.

360 Kilo MDMA und Co. im Jugendzimmer gehortet

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Insgesamt 360 Kilogramm vor allem synthetischer Drogen konnte die Leipziger Polizei sicherstellen.

Am 26. Februar erfolgte der Zugriff, wobei auch ein 51-jähriger serbischer Kurierfahrer verhaftet werden konnte. Wie Ralf Lingslebe, Leiter des Leipziger Rauschgiftdezernats, am Donnerstag erklärte, betrieb der 20-Jährige seinen Drogen-Internethandel von der Gohliser Wohnung seiner Mutter aus, wo er noch in seinem Jugend-Zimmer lebte. Die Mutter habe nach ersten Erkenntnissen keinen Zutritt zum Zimmer gehabt. Die sichergestellten 360 Kilogramm Betäubungsmittel seien in einfachen Regalen gelagert gewesen – darunter 37,3 Kilogramm Amphetamin-Paste, 44.000 LSD-Trips, 138 Kilogramm Extasy, 4,4 Kilogramm Kokain, 52,2 Kilogramm MDMA und 89,7 Kilogramm Haschisch. Zudem fand die Polizei auch 48.000 Euro in Bar und Bitcoins im Wert von 325.000 Euro in den Räumen. Die Drogen sollen vor allem aus den Niederlanden und aus Berlin stammen. Nähere Angaben zur Herkunft wurden allerings nicht gemacht.

Wie Oberstaatsanwalt Schulz erklärte, befinde sich der 20-Jährige derzeit in einer sächsischen Justizvollzugsanstalt (JVA) und warte dort auf seine Anklage. Unklar ist bisher, ob eine Verurteilung nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht erfolgen könne. „Das entscheidet natürlich der Richter. Eine Anklage wäre  in vorliegender Sache auf jeden Fall an die Jugendkammer zu richten, die dann im Falle einer Verurteilung nach Jugend- oder Erwachsenrecht entscheidet“, sagte Schulz . Nach Jugendrecht droht im Fall einer Verurteilung eine Strafe von mindestens sechs Monaten und bis zu zehn Jahren, bei einer Verurteilung nach Erwachsenrecht eine Strafe von mindestens ein und bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe.

Laut Polizeipräsident Bernd Merbitz seien Ermittlungen und Erfolg in diesem außergewöhnlichen Fall vor allem angesichts der Arbeit im Internet richtungsweisend für die künftige Polizeiarbeit im Freistaat. „Wir werden in Zukunft über völlig neue Formen der Kriminalität sprechen“, so Merbitz. Seine Behörde wolle künftig noch stärker die klassische Polizeiarbeit mit dem Wirken von IT-Spezialisten verbinden. Leipzigs Polizeipräsident kündigte an, sich deshalb beim Innenminsiter für die Einstellung von 100 zusätzlichen IT-Spezialisten bei der sächsischen Polizei stark machen zu wollen.

Matthias Puppe

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